Donnerstag, 28. Juli 2011

Wetterauer Geschichten Teil5

Zurück in der Wetterau (5)

In Bad Nauheim werden die Stockenten immer weniger. Warum? Diese Frage, die sich jedem Spaziergänger aufdrängt, wurde kürzlich in der Wetterauer Zeitung beantwortet: Die (eigentlich nicht heimischen) Nilgänse, die sich im hiesigen Kurpark genüßlich vermehren, verdrängen die einheimische Spezies. Dem Lokalreporter gebührt Ehre, sich dieses Rätsels angenommen zu haben und uns aufzuklären.

Doch gewissenhafte Recherchen gab es bereits in grauen Vorzeiten. Ende der Siebziger entnahm ich unserem lokalen Revolverblatt, dass in Nieder-Weisel ein UFO gelandet war. Doch leider blieb es nicht lange. Entweder fanden die Außerirdischen den Planeten zu lebensfeindlich, oder sie fürchteten sich vor der öden Konversation mit dem Förster. Egal – sie suchten auf jeden Fall sofort wieder die Weiten des Universums auf. Der Förster hingegen hatte wohl viel Zeit, denn er alarmierte nicht nur die Polizei, sondern gleich darauf auch den Lokalreporter.

Auch wenn die Geschichte wohl für die meisten Leute zum Himmel stank, nahm ich mir vor, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn man weiß ja nie, und die Gefahr, sich lächerlich zu machen zählt nicht für einen wahren Wissenschaftler. Mein Schulfreund Chippy begleitete mich auf der Fahrt nach Nieder-Weisel. Oder, besser gesagt: in den Forst der Ortschaft, wo – jwd – ein Forsthaus stand, mit dessen Inhaber ich telefonisch einen Interview-Termin ausgemacht hatte. In dem alten VW-Käfer hatten wir das Nötigste verstaut: Notizblock und Stifte, sowie einen Spaten und alte Plastiktüten für die Bodenproben.

Ich hatte mir keinerlei Gedanken gemacht, was ich wohl nachweisen könnte, doch es erschien mir einfach schicklich, Bodenproben zu entnehmen, da das so wunderbar wissenschaftlich klang. Mit meinem selbstgebastelten Ausweis in der Tasche, der mich – als Ufologin – autorisierte qualifizierte Fragen zu stellen, fuhren wir los.

Chippy wartete draußen, während ich am Forsthaus klingelte, mich vorstellte, und den Förster interviewte. Ich hatte ein schon etwas älteres Semester vor mir, und die Konversation war, gelinde gesagt, eher zäh. Trotzdem schrieb ich all die Dinge nieder, die ich mir auch zu Hause aus den Fingern hätte saugen können: ein helles Licht, ein komisches Geräusch und das Raumschiff auf der Wiese hinter dem Haus. Ich bat ihn, mir die Stelle zu zeigen und er ging bereitwillig hinaus und zeigte mir den Landeplatz. Auch gegen die Entnahme von Bodenproben hatte er nichts. Ich bedankte mich und und fing an, den Spaten in den harten Boden zu stechen.

Mit einem halben Dutzend gefüllter Plastiktüten fuhren wir dann zum Augustinergymnasium, wo ich die Proben zu untersuchen gedachte. Ich erklärte meinem Physiklehrer, dass ich Zugang zum Labor im Keller des ehemaligen E1 benötigte, um meine wissenschaftlichen Untersuchungen zu beginnen. Er war sehr kooperativ und so ließen wir zuächst den Geigerzähler über die Proben streichen. Keine ungewöhnlicher Teilchenzerfall. Auch sonst waren keine signifikanten Überraschungen festzustellen. Ein leeres Gefühl beschlich mich – ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ein so rein gar nicht ungewöhnliches Resultat war doch sehr ernüchternd. Nun gut. Ich bedankte mich für die freundliche Unterstützung und schleppte die Bodenproben wieder hinauf. Was nun – welche Untersuchungen hatten wir bisher ausgelassen? Wichtige Fragen. Womöglich existentielle Entscheidungen. Doch mittlerweile war es 2 Uhr nachmittags und mein Magen fing an, zu knurren. Und so beschloss ich, die Wissenschaft Wissenschaft sein zu lassen und warf die hart erschaufelten Beweise in die Müllcontainer der Schule (in den Siebzigern gab es noch keine Mülltrennung).

Damals ging man den Dingen noch auf den Grund.


Susie Vrobel, Juli 2011

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